Tabea im Nationalsozialismus

Das Aufkommen des Nationalsozialismus belastete und beschwerte die Arbeit der Tabea-Schwestern in einem Maße, das wir uns heute nur schwer vorstellen können.

Mit der NS-Zeit begann wohl eine der schwierigsten Phasen in Tabea. Für die damaligen Schwestern war es nicht einfach, ihrem diakonischen Anspruch gerecht zu bleiben und gleichzeitig den irren Vorstellungen der Nationalsozialisten irgendwie nachzukommen, ohne sich dabei selbst in Lebensgefahr zu begeben.

Der damalige Direktor reagierte realistisch und pragmatisch auf den Umsturz. Weil die „neuen Führer“ sich zu Gott bekannt hätten, „nehmen wir freudig teil an dem großen Geschehen der nationalen Erhebung unseres Volkes“. Er begründete seine Loyalität gegenüber dem Staat auf für Baptisten wichtigen Bibelstellen. Gleichwohl trug er den Schwestern auf, bei politischen Gesprächen vorsichtig zu sein, um nicht als staatsfeindlich zu gelten. Bei den Ausführungen des Direktors war ein skeptischer Unterton wahrnehmbar, den Namen „Hitler“ erwähnte er nicht einmal. Seine ambivalente Haltung lässt sich am besten mit einer „taktischen Loyalität“ begründen. Er warnte auch die Schwestern davor, sich gegen den NS zu stellen, da dies „unser Werk in Gefahr“ bringen würde. Aus diesem Grund war für Tabea die Zusammenarbeit mit jüdischen Ärzten schwierig und distanzierte sich aus Angst davon. Dennoch beschränkte der Staat die Arbeitsbereiche der Diakonissen immer weiter und setzte vermehrt „braune Schwestern“ in den Häusern ein.

Tabea, und alle anderen diakonischen Einrichtungen, stellten ihre Solidarität und Opferbereitschaft gegenüber der Kriegspolitik des NS-Staates nicht in Frage. Bei Kriegsausbruch wurden umgehend Diakonissen zum Lazarettdienst gemeldet und eingezogen. Dennoch wurden die freikirchlichen Diakoniewerke bedrängt: Tabea etwa in der Beschlagnahmung von Arbeitsfeldern und Auflagen zur Namensänderung. Das Mutterhaus durfte weiterhin Tabea heißen, lediglich die von ihnen geführten Einrichtungen mussten ihre Namen ändern.

Tabea war in den ersten Kriegsjahren noch sehr loyal zur Kriegspolitik. Der Stolz galt dreizehn Schwestern, denen das Kriegsverdienstkreuz verliehen wurde. Doch je länger der Krieg andauerte, desto mehr beteten die Schwestern für die Erbarmung Gottes für das Volk und ein Hoffen auf das Ende der schweren Leiden und Verluste.

Wohl durch taktische Anpassung und Geschick manövrierte sich das Diakonissenhaus durch diese dunkle Zeit. Trotz vieler Repressalien konnte es dem diakonischen Gedanken in ihrer Arbeit weitgehend Raum lassen. Dazu ein Satz aus dem Jahresbericht von 1941: „ … Es gehört besonders heute viel Mut und eine starke Gewissheit zum Diakonissenweg, der genauso wie alles Christliche jetzt eine besondere Zeit der Erprobung zu bestehen hat.“

In den Nachkriegsjahren traten neue junge Schwestern in das Diakonissenhaus ein. Die verbliebenen bangten um Schwestern, die noch in Kriegsgefangenschaft waren. 1948 kehrte auch die letzte Diakonisse wieder zurück. Die Arbeit mit Waisenkindern war nun ein neues Aufgabenfeld von Tabea, das bis 1969 ausgeübt wurde.